«Das Universum als unermesslich grosses Laboratorium»
Vom Weltraum aus betrachtet lässt sich die Zusammensetzung der Erdatmosphäre relativ gut bestimmen, da Gase wie Kohlendioxid, Sauerstoff aber auch Methan oder Wasser die von der Erde ausgehende Strahlung absorbieren.
Theoretisch lassen sich so auch Exoplaneten und ihre Atmosphären untersuchen. Insofern lässt sich das Vorhandensein sogenannter chemischer Ungleichgewichte in den Atmosphären von Exoplaneten auf das Mögliche Vorhandensein von biologischer Aktivität schliessen. Im Interview spricht Sascha Quanz, Professor für Exoplaneten und Habitabilität an der ETH Zürich über die Faszination der Astrophysik. Auch über möglicherweise bewohnbare Planeten.
Interview mit Sascha Quanz, Professor für Exoplaneten und Habitabilität, ETH Zürich
Professor Sascha Quanz, bitte erzählen Sie uns über den Stand Ihrer aktuellen Forschung?
Das langfristige Ziel unsere Forschungsgruppe ist zu verstehen, ob es Planeten bei anderen Sternen gibt – sogenannte Exoplaneten –, die unsere Erde ähnlich sind. Mit den heutigen Technologien, das heisst den Teleskopen, die wir haben und den Instrumenten, die an diesen Teleskopen angeschlossen sind, können wir diese Frage noch nicht beantworten.
Der Hauptgrund ist, dass Planeten extrem viel schwächer leuchten als die Sterne, die sie umkreisen, und sie befinden sich sehr nah an ihren Sternen, wenn man sie von der Erde aus beobachtet.
Diese Herausforderung, eine extrem schwache Leuchtquelle ganz in der Nähe einer extrem hellen Leuchtquelle zu detektieren, ist ein zentraler Bestandteil in der Entwicklung zukünftiger Instrumente.
Dann geht ein Teil Ihrer Forschungsarbeit genau in diese Richtung?
Genau. So sind wir in die Entwicklung des METIS Instruments für das «Extremely Large Telescope (ELT)» der Europäischen Südsternwarte (ESO) involviert. Das ELT ist mit einem Spiegeldurchmesser von 39 Metern, das grösste Teleskop weltweit. Es kann bei optischen und nah-infraroten Wellenlängen beobachten.
Wenn alles läuft wie geplant, wird METIS eines der ersten Instrumente am ELT sein und in rund 8 Jahren anfangen, Daten aufzunehmen. Unsere Hoffnung ist, dass METIS das erste Bild eines erdähnlichen Exoplaneten machen wird. Bis dahin liegt aber noch einiges an Arbeit vor uns. In der Zwischenzeit arbeiten wir aber in verschiedenen Richtungen weiter. Ein Schwerpunkt liegt auf einem zukünftigen Weltraumteleskop, das wir LIFE genannt haben (Large Interferometer For Exoplanets).
Mit der LIFE Mission sollte es möglich sein, Dutzende von erdähnlichen Exoplaneten zu detektieren und die Zusammensetzung ihrer Atmosphären genauer zu untersuchen. Neben Simulationen, wie LIFE beobachten wir, wie die Daten aussehen und ausgewertet werden können schauen wir uns auch die Messtechnik an und versuchen sie in einem Laboraufbau an der ETH zu perfektionieren.
Gibt es neben diesen technischen Entwicklungen noch andere Forschungsarbeiten?
Ja. Wir beschäftigen uns mit Modellen für Planetenatmosphären und für den potenziellen inneren Aufbau von Planeten, um besser zu verstehen, welche Eigenschaften wir mit Beobachtungen wirklich messen können, und welche Planeten die potenziell interessantesten Beobachtungsziele sein könnten.
Ausserdem nutzen wir existierende Grossteleskope, wie das Very Large Telescope (VLT) in Chile, um die Beobachtungstechnik und die Datenanalyse-Methoden, die auch am ELT zum Einsatz kommen werden, weiter zu optimieren. Moderne Ansätze aus dem Bereich des maschinellen Lernens helfen uns, nach den schwachen Signalen der Planeten in den Datenmengen zu fahnden.
In diesem Fall handelt es sich aber nicht um erdähnliche Planeten, sondern um Planeten, die vielmehr dem Gasriesen Jupiter gleichen. Solche massereichen Planeten strahlen, besonders wenn sie erst wenige Millionen Jahre alt sind, besonders hell – sie haben Temperaturen von bis zu 2000 Grad – und sind somit auch mit heutigen Teleskopen zu entdecken.
Wie häufig diese Art von Objekten vorkommt, aus was ihre Atmosphären zusammengesetzt sind und wie solche Objekte primär entstehen, all das sind Fragen, denen wir in unserer Gruppe nachgehen.
Was fasziniert Sie besonders an der Astrophysik?
Auf der einen Seite ist das Universum ein unermesslich grosses Laboratorium, das Objekte hervorgebracht hat und Bedingungen bereithält, die wir auf der Erde unmöglich nachstellen können. Dieses Unbekannte zu erforschen, Neues zu entdecken, und mit der Sprache der Physik zu erfassen, finde ich spannend.
Auf der anderen Seite ist die moderne Astrophysik, wie alle modernen Naturwissenschaften, ein extrem grosses Forschungsfeld, so dass sich Forschende heutzutage auf bestimmte Teilgebiete fokussieren und es kaum noch möglich ist, ein Experte auf allen Gebieten zu sein. Für mich geht es darum, unseren Platz, das heisst unseren Heimatplaneten Erde, im Kontext des grossen Universums ein bisschen besser zu verstehen.
- Gibt es dort draussen Planeten, die andere Sterne umkreisen und die unserer Erde ähnlich sind?
- Könnte es Planeten geben, die lebensfreundliche Bedingungen bieten?
- Gibt es Möglichkeiten, nach Signaturen von Leben auf diesen Planeten zu suchen?
- Und, wenn ja, wie müssten die Instrumente aussehen, die man dazu benötigt?
Mich fasziniert und motiviert, dass wir in den kommenden Jahren beginnen werden, diese Fragen zu beantworten; Fragen, die durchaus auch von Interesse für Gebiete ausserhalb der Astrophysik sind.
Sie sind mit dem dynamischsten Forschungsgebiet der Astrophysik vertraut. Was ist moderne Astrophysik?
Sascha Quanz – Ich könnte mir vorstellen, dass verschiedene Kolleginnen und Kollegen diese Frage unterschiedlich beantworten würden, da wie bereits erwähnt die Spezialisierung auf Teilgebiete heutzutage unvermeidlich ist und jede beziehungsweise jeder natürlich das eigene Forschungsgebiet als wichtig und modern betrachtet.
Aus meiner Sicht gibt es aber drei Bereiche, die ich als besonders aktuell und zukunftsträchtig betrachte. Das ist zum einen die Kosmologie, also der Bereich, der sich mit der Entstehung und Entwicklung des Universums als Ganzes befasst. Wir können viele Eigenschaften des Universums sehr gut mit Modellen beschreiben, aber vieles ist auf fundamentaler Ebene noch unverstanden.
Können Sie uns Beispiele nennen?
Sascha Quanz – Als Beispiel kann man die «Dunkle Energie» und die «Dunkle Materie» anführen, die ungefähr 95 Prozent der Gesamtenergie im Universum ausmachen (die sogenannte baryonische Materie – also die Bausteine wie Protonen, Neutronen und Elektronen, die wir aus der Teilchenphysik kennen – macht nur 5 Prozent der Energie aus).
Moderne kosmologische Modelle haben eine Beschreibung dafür, wie sich «Dunkle Energie» und «Dunkle Materie» verhalten, und wieviel es davon geben muss, aber was ihre Ursache oder ihre Bausteine sind ist bisher unbekannt. Man könnte also sagen, dass wir 95 Prozent des Universums noch nicht verstanden haben.
Was sind die anderen beiden Bereiche?
Sascha Quanz – Ein anderer äusserst spannender und moderner Bereich der Astrophysik sind die Gravitationswellen. Mit der experimentellen Bestätigung der vergangenen Jahre, dass es Gravitationswellen gibt, steht Astrophysikern nun ein komplett neuer Forschungsbereich offen. Dieser beruht nicht auf der elektromagnetischen Strahlung (wie die klassische Astronomie), sondern benutzt Wellen in der Raumzeit, um unter anderem mehr über extreme Phänomene wie das Verschmelzen von Schwarzen Löchern zu erfahren.
Gravitationswellen sind ein gutes Beispiel für physikalische «Experimente», die wir unmöglich im Labor auf der Erde nachstellen können, und die doch so viel Informationen über das Universum aber auch für fundamentale Physik bereithalten. Der letzte Bereich, den ich als moderne Astrophysik bezeichnen würde, ist die Suche nach und Charakterisierung von Exoplaneten; also der Bereich, mit dem sich unsere Forschungsgruppe an der ETH befasst.
Die Frage nach der Bewohnbarkeit von Exoplaneten und die Suche nach Leben ausserhalb unseres Sonnensystems spielt heutzutage bei nahezu allen neuen Teleskopprojekten und vielen Weltraummission eine zentrale Rolle
Bei den Planeten und Sternen sprechen Sie von der Wellenlänge des Lichtes vergleichbar mit einer Blaulicht-Sirene. Mit der Berechnung der Umlaufperiode der Erde soll ein Nachweis von Planeten mit der Masse möglich werden. Müssen dann alle Sterne wackeln?
Sascha Quanz – In der Tat gibt es neben der Technik, die wir an der ETH entwickeln, um Exoplaneten direkt zu beobachten (also letztlich ein «Foto» von den Planeten zu machen), andere Methoden, um Exoplaneten nachzuweisen. Die Technik, auf die Sie hier anspielen, nutzt die Tatsache aus, dass ein Planet, wenn er um einen Stern kreist, aufgrund der Anziehungskraft, die er auf den Stern ausübt, diesen leicht zum «Wackeln» bringt.
Genauer gesagt kreisen beide Objekte, Stern und Planet, um den gemeinsamen Massenschwerpunkt. Diese Bewegung des Sterns kann man mit speziellen Instrumenten und unter Benutzung des Doppler-Effekts des Lichts, das heisst, die periodische Verschiebung des Lichts zu längeren und kürzeren Wellenlängen (eben ähnlich der Verschiebung der Frequenz des Martinhorns, wenn eine Ambulanz an uns vorbeifährt), messen.
Wenn nun ein Stern Planeten besitzt, die ihn umkreisen, so wird er immer wackeln, und da die meisten Sterne am Himmel – statistisch gesehen – von Planeten umkreist werden, ist der Himmel in der Tat voller wackelnder Sterne. Mit dem Auge kann man das allerdings nicht erkennen. Übrigens meine Kolleginnen und Kollegen der Universität Genf sind weltweit führend was diese Technik angeht.
Sie erwähnen möglicherweise bewohnbare Planeten. Wie weit ist die Forschung?
Noch haben wir keinen direkten Nachweis erbracht, dass einer der Tausende von Exoplaneten wirklich bewohnbar ist. Das ist allerdings auch kein Wunder, denn die bisherigen Instrumente an bodengebundenen Teleskopen und die Weltraumteleskope, die wir haben, hatten es bisher gar nicht zum Ziel, diesen Nachweis zu erbringen. Primär ging es bisher darum zu verstehen, welche Arten von Planeten es gibt, und mit Arten meine, welche Masse, welche Grösse und welche Umlaufzeiten Exoplaneten typischerweise haben. Ausserdem will man verstehen, ob es Unterschiede gibt, wenn man verschiedene Arten von Sternen untersucht.
Heute wissen wir zum einen, dass die allermeisten Sterne wirklich Planetensysteme haben sollten. Und zum zweiten hat sich herausgestellt, dass die allermeisten Planeten wahrscheinlich ein bisschen grösser und ein bisschen massereicher als die Erde sind, aber durchaus so, dass sie noch als sogenannte «terrestrische» Planeten gelten. Die Masse von terrestrischen Planeten ist dominiert von Gesteinen und vielleicht einem metallischen Kern (wie bei uns bei Merkur, Venus, Erde und Mars) und nicht durch eine grosse, dichte Atmosphäre aus Helium und Wasserstoff wie bei Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Diese beiden Tatsachen, dass es nahezu überall Planeten gibt und dass viele davon ähnlich wie die Erde aufgebaut sein könnten, macht uns Hoffnung, dass einige in der Tat auch lebensfreundliche Bedingungen hervorgebracht haben könnten.
Und genau das ist jetzt einer der nächsten Schritte: zukünftige Instrumente und Missionen, sollten zum Ziel haben, direkt die Atmosphären und deren Zusammensetzung bei nahgelegenen terrestrischen Exoplaneten zu erforschen. Das war bisher nicht möglich. Heutige Instrumente können zwar schon die Atmosphären von Jupiter-ähnlichen Exoplaneten erkunden, aber eben noch nicht die der kleineren Exoplaneten, die unserer Erde ähnlich sind. Und an dieser Herausforderung arbeiten wir.
Herr Sascha Quanz, was bedeutet dies für die Menschheit?
Sollte uns eines Tages wirklich der Nachweis gelingen, dass andere Planeten bewohnbar sind so wäre das eine wunderbare Entdeckung. Es würde zeigen, dass Leben kein Zufall ist, sondern sich entwickeln kann. Nämlich sobald die richtigen Bedingungen vorherrschen. Diese können außerdem mehrmals im Universum existieren.
Als Konsequenz würde die Rolle der Erde und der Menschheit im Universum weiter relativiert. Wir wären dann eben nicht mehr der einzige Planet, wo Leben entstanden ist. Aber vielleicht würde das wiederum unser Bewusstsein schärfen, dass die Entwicklung der Menschheit untrennbar mit der unseres Planeten verbunden ist. Wir sollten mit unseren Mitmenschen und unserem Heimatplaneten behutsam umgehen.
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