Weiterbauen – Europäische Tage des Denkmals 2020

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Weiterbauen – Europäische Tage des Denkmals 2020

Die Denkmaltage vom 12. und 13. September 2020 laden zur Debatte über «Weiterbauen – Verticalité – Costruire sul costruito – Construir en il construì» ein: Besucherinnen und Besucher sowie Fachpersonen diskutieren an den Denkmaltagen 2020 gemeinsam. Wertvolle Städte, Dörfer und Häuser gilt es zu erhalten und gleichzeitig müssen neue, qualitätsvolle Wohn- und Freiräume im bebauten Raum geschaffen werden.

Mit dem Thema «Weiterbauen» greifen die Denkmaltage 2020 brandaktuelle Fragen aus der Debatte rund ums Verdichten auf. Ob Bewohnerin, Enthusiast, Fachperson oder Neugierige: Alle sind eingeladen, auf Türme zu steigen und sich die Siedlungsstruktur von oben anzuschauen. Oder einzutreten ins umgebaute Fabrikgebäude, an den Veranstaltungen in die Höhe, in die Tiefe und nach Innen zu blicken und mitzudiskutieren. Über tausend kostenlose Führungen, Spaziergänge, Ateliers oder Gesprächsrunden stehen in der ganzen Schweiz zur Auswahl. Der Anlass steht unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset.

Baukulturelles Erbe und Verdichtung

10 Millionen Menschen werden gemäss Schätzungen 2045 in der Schweiz leben. Alle diese Menschen wollen wohnen, arbeiten und sich erholen. Ihr Bedürfnis nach Wohnfläche und Mobilität steigt kontinuierlich. Gleichzeitig soll dem Siedlungswachstum Einhalt geboten werden. Immer noch werden jeden Tag 8 Fussballfelder verbaut. Statt «bauen auf der grünen Wiese», lautet das Zauberwort: Siedlungsentwicklung nach innen. Damit sich die Menschen in einem verdichteten Umfeld wohl fühlen, muss mit hoher Qualität weitergebaut werden. Dazu gehört auch der verantwortungsbewusste Umgang mit dem baukulturellen Erbe.

Bauen im Bestand mit hoher Qualität

Die Denkmaltage 2020 fragen: Wie bauen wir weiter? Wie schaffen wir Wohlbefinden? Wie erhalten die neu entstehenden Räume und Bauten Qualität? Die Denkmaltage präsentieren Best-Practices-Beispiele zu Anbauen, Aufstocken, Transformieren, Neubauen. Anhand dieser Beispiele werden die Interessenkonflikte zwischen dem Schutz des baukulturellen Erbes, den Bedürfnissen der Menschen und der inneren Verdichtung diskutiert.

Die Denkmaltage 2020 zeigen beispielsweise auf, wie aus einer Milchfabrik eine Hochschule wurde, wie ein Brand in einem Parlamentsgebäude in ein architektonisches Meisterwerk mündete oder wie ein unbewohntes Bauernhaus und dessen Scheune zu einem Wohnhaus transformiert wurde. Die Denkmaltage greifen Fragen auf, die das Bauen im Bestand mit sich bringt: Darf das schützenswerte Riegelhaus im Dorfkern abgerissen werden, um einem grösseren Neubau Platz zu machen? Und wie gehen die Archäologen damit um, wenn der Bagger auf römische Amphoren stösst? Für Antworten gehen die Experten vom Gebauten aus. Der Blick von oben erkennt das Zusammenspiel der Siedlungsstrukturen. Die Silhouette der Stadt vermittelt Dramaturgie und Orientierung. Das Bauen im Bestand richtet sich an diesen Perspektiven aus. Beim Aufstocken, Anbauen und Transformieren muss sichergestellt werden, dass das baukulturelle Erbe geschützt wird und qualitativ hochstehende Wohn- und Freiräume geschaffen werden.

Breite Unterstützung der 27. Europäischen Tage des Denkmals in der Schweiz

Die Denkmaltage finden zum 27. Mal in der Schweiz statt. Die Kampagne ist ein kulturelles Engagement des Europarates. Unterstützt wird die Initiative durch die Europäische Union. Dementsprechend finden die Denkmaltage in 50 Ländern statt. Europaweit nehmen bis zu 20 Millionen Menschen am Anlass teil.

Das Programm für die Denkmaltage 2020 gibt es hier als Download:

Wohnen in der verdichteten Siedlung entdecken

10 Millionen Menschen werden gemäss Schätzungen 2045 in der Schweiz leben. Sie wollen wohnen, arbeiten und sich erholen. Ihr Bedürfnis nach Wohnfläche und Mobilität steigt kontinuierlich. Gleichzeitig soll dem Siedlungswachstum Einhalt geboten werden. Immer noch werden jeden Tag 8 Fussballfelder verbaut. Statt «bauen auf der grünen Wiese» lauten die Zauberworte: Siedlungsentwicklung nach innen und vertikale Verdichtung. Wie bereits in der Nachkriegszeit (zwischen 1950 und 1960) verdichtet geplant wurde, sieht man in den Siedlungen Meienegg in Bern-Bümpliz oder im Rainpark in Brügg bei Biel. Auch die Siedlungen der 1970er-Jahre in Benglen in Fällanden (ZH) oder im riesigen Wohnungsband Le Lignon in Vernier (GE) illustrieren dies. Erfahren Sie an der Industriestrasse in Luzern, wie sich ein Quartier mit der Verdichtung auseinandersetzt.

Weiterbauen in historischen Ortskernen

In viele Dörfern und Städten sieht sich die Bevölkerung mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert: Die im ISOS, dem Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgenommenen Dorfkerne, sind heute vielseitigen, teils widersprüchlichen Interessen ausgesetzt. Auf Spaziergängen und Führungen durch die Dorfkerne in Gais (AR), Allschwil (BL), Siders (VS) und fünf Dörfer im Kanton Luzern werden deren Qualitäten erläutert und neuste Entwicklungen betrachtet. In Aarau und Windisch führt der Blick weit zurück, wo bereits die Römer im heutigen Ortskern angesiedelt waren. In St. Gallen zeugen die unzähligen Erker vom stetigen Weiterbauen an der Altstadt.

Alte Industrieareale

Umnutzungen von historischen und industriellen Gebäuden gehören heute selbstverständlich zu unserem Alltag: An den Denkmaltagen können umgenutzte Industrie-Areale besichtigt werden, wie in Bern-Bethlehem, wo Studierende heute in einer ehemaligen Schildfabrik Kunst schaffen, die ehemalige Velofabrik in Kreuzlingen und die frühere Schiffbauwerkstatt in Zürich, wo heute Kultur stattfindet, oder die alte Pfeifenfabrik im Solothurnischen, die nun einen Raum der Stille bietet. Auch in Schweizer Altstädten gehören Umnutzungen seit eh und je zum städtischen Leben: Entdecken Sie das Schloss Burgdorf, das mit der neuen Jugendherberge Unterkunft in den historischen Räumen bietet, die Villa Jacob in St. Gallen, die zu einem Sterbehospiz umgewandelt wird oder die Casa Martinelli im Tessin; ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, das durch den Anbau zu neuem Leben erweckt wurde.

Blick von oben

In den Westschweizer Kantonen können die unterschiedlichsten Türme besichtigt werden: Die Kathedralen von Lausanne und Fribourg, durch Le Corbusier inspirierte Wohntürme wie die Tours de Carouge oder die Tours de Valmont oder auch den RTS-Turm in Genf. Im Wallis können Sie das Zusammenspiel von Holz und Stein des einzigartigen Stockalperturms entdecken, im Kanton Freiburg die Bedeutung des Wasserschlosses von Estavayer-le-Lac und mit etwas Wagemut besteigen Sie im Kanton Waadt den Radioturm von Sottens.

Zeitreise im Film und im Internet

Mit historischen Filmen in den Eissport und die Geschichte des HC Davos eintauchen oder die Stadtplanung von La Chaux-de-Fonds oder in die Welt der Schuhe in Schönenwerd. Dieses Jahr kann man auch ohne das Haus zu verlassen, an den Denkmaltagen 2020 teilnehmen: In Schaffhausen ist ab dem 12.9. ein Film verfügbar, der die Geschichte der Stahlgiesserei und die denkmalpflegerischen Herausforderungen bei der Entstehung eines neuen Stadtteils thematisiert. In Zürich überraschen Videos, Podcasts und Instagram-Stories. Auch in Deutschland lassen sich Denkmäler digital entdecken.

Die NIKE

Die Erhaltung des Kulturerbes – von archäologischen Funden bis hin zu digitalen Datenträgern – ist nur durch gut ausgebildete, vernetzte Fachleute und eine informierte sowie engagierte Öffentlichkeit möglich. Die Nationale Informationsstelle zum Kulturerbe NIKE, Mitglied der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften SAGW sowie von Europa Nostra, weckt das öffentliche Interesse am kulturellen Erbe der Schweiz und vertritt die Anliegen der Kulturgütererhaltung gegenüber der Politik.
www.nike-kulturerbe.ch

Bildlegende: Kulturerbe Schloss Burgdorf. Im Schloss Burgdorf wurde in den letzten beiden Jahren weitergebaut. Wo früher Gefängniszellen waren, befinden sich heute Schlafräume der Jugendherberge. Viele der historischen Räume beherbergen das neue Museum, der Assisensaal wurde zum Festsaal, der Schiltensaal zum Zeremonienzimmer. Im Erdgeschoss und im Hof bietet ein Restaurant Raum für Genuss. Auf einer Erkundungstour wird die Neunutzung im Schloss Burgdorf vorgestellt. Das anschliessende Schlosspalaver stellt sich den Fragen des Bauens im Kulturerbe.