Künstliche Intelligenz in der Klimaforschung

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Künstliche Intelligenz in der Klimaforschung

Klimaforschung: Wer kennt das prominenteste Beispiel bezüglich Klimaereignisse nicht: «Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado in China auslösen?» Auch wenn manchem diese Fragestellung sehr weit hergeholt erscheint, dürfte inzwischen (fast) jedem klar sein: Unser Weltklima ist aus den Angeln gehoben und es sollte umgehend gehandelt werden. Bevor wir hier aber in gar politisches Fahrwasser gelangen, möchten wir über ein wesentlich effektiveres und auch spannenderes Thema berichten: die Klimaforschung. Extrem komplex und nahezu unberechenbar wirken sich selbst kleine Änderungen im weltweiten Klimasystem auf die Entwicklung von Wetterereignissen aus. Zu viele Faktoren wirken gleichzeitig zusammen und lösen scheinbar unkalkulierbare und zunehmend katastrophale Wettersituationen aus.

Zuverlässige Wetterberichte kaum mehr möglich

Die Auswirkungen kann jeder selbst ganz einfach beobachten und feststellen. Die Wetterberichte sind auf der einen Seite zwar relativ präzise, die Vorhersagen ändern sich aber zunehmend kurzfristig in unkalkulierbare Wetterereignisse. Aus einem vorhergesagten Regen wird extremer Starkregen oder gar Hagel. Aus einer normalen Gewitterfront wird ein Unwetter mit Sturmböen und gar kleineren Tornados mit teils erheblichem Unwetterpotenzial und schlimmen Auswirkungen. Wir können feststellen, dass sich derartige Wettersituationen immer schlechter vorhersagen lassen. Sind denn die Wetterdienste nicht mehr in der Lage, einen «normalen» Wetterbericht zu erstellen?

Haben klassische Wetterberichte ausgedient?

Für die Erfassung der Schweizer Klimadaten ist MeteoSchweiz zuständig. Hier haben verschiedenste Messungen zu den Wetter- und Klimaentwicklungen ergeben, dass beispielsweise die Temperaturen in der Schweiz in den letzten 150 Jahren um 2 Grad an- gestiegen sind. Im Nachbarland Deutschland ist der DWD (Deutscher Wetterdienst) für die Datenerhebungen zuständig. Auch hier wurden mittlerweile Temperaturanstiege von bis zu 2,2 Grad ermittelt. Aus diesen Werten lässt sich ableiten, dass die europäische Klimaerwärmung auch deutlich veränderte Wettersymptome hervorbringt.

Messwerte und Parameter in der Klimaforschung

In der Klimaforschung werden seit jeher verschiedenste Messwerte und Parameter für die Wettervorhersage genutzt: Messstationen mit Wetter- und Regenradar, Wind- und Regenmengen-Messgeräte und auch subjektiv-optische Wetterbeobachtungen. Aus all diesen Werten wird dann eine Prognose erstellt und landesweit oder auch europaweit veröffentlicht. In den letzten Jahrzehnten wurden immer öfter leistungsstarke Rechnersysteme für die Wettervorhersagen genutzt. Deren vorrangige Aufgabe war es bisher, die schier unzähligen Wetterdaten zu kanalisieren, abzustimmen und teil automatisiert in die Wettervorhersage einfliessen zu lassen.

Wetterstation Bergen

Dieses Modell stösst jedoch zusehends an seine Grenzen. Es genügt schon lange nicht mehr, einfach nur eine Vielzahl an Wetterdaten zusammenzuführen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung war daher die Einführung von Bilderkennungssystemen, die den Meteorologen bei der Auswertung von lokalen oder landesweiten Wetterphänomenen hilfreich zur Seite stehen. Aber auch diese Verfahren können mit der rasanten Veränderung der Klimaereignisse auf unserem Planeten längst nicht mehr mithalten. Die Wetterprognosen stützen sich zudem auf sogenannte Ereigniszellen, deren Maschenbreite auf durchschnittlich 3 km Rasterbreite ausgelegt ist. Dieses Raster reicht inzwischen auch schon nicht mehr aus, um relevante Wetterzellen eindeutig erkennen und vorhersagen zu können.

KI-Systeme für Wetterprognosen und Klimaforschung

In den letzten Jahren hat sich das Thema KI (Künstliche Intelligenz) immer mehr in unseren Köpfen gefestigt. Viele Bereiche in der Forschung und Entwicklung setzen bereits seit geraumer Zeit auf die geballte Leistung solcher KI-Systeme. Inzwischen ist auch die Meteorologie und Klimaforschung auf dieses Instrument verstärkt aufmerksam geworden. Es sollte mit der schier brachialen Leistung von modernen Superrechnern und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz doch möglich sein, einen ordentlichen Wetterbericht erstellen zu können. Nun, wenn es denn so einfach wäre! Genau das Gegenteil ist der Fall. Pure Computerleistung hilft bei der Klimaforschung erst einmal gar nichts oder stellt zumindest den falschen Ansatz dar.

Intelligente Datenauswertung entscheidend in Klimaforschung

Wenn man sich einmal vor Augen führt, wie ein Wetterbericht entsteht, kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass hier nahezu unendlich viele Faktoren einwirken. Vereinfacht dargestellt kommen zur Wetterentwicklung hier Parameter wie Wind, Tageszeit, Geolocation, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zum Einsatz.

Selbst wenn man diese 5 einfachen Werte für eine erste Auswertung in Einklang bringen kann, ist dennoch unbekannt, wie sich eine beispielhaft prognostizierte Gewitterzelle in den nächsten Minuten entwickeln wird. Ist in dieser Zelle auch eine hohe Luftverschmutzung (Staub- und Russpartikel) festzustellen, so kann sich aus einem möglichen Starkregen in Minuten auch ein gefährlicher Hagelschlag entwickeln.

Vorteil: Deep-Learning im Bereich der Klimaforschung

Bei so extrem vielen unterschiedlichen Wetterparametern kann künstliche Intelligenz durchaus eine grosse Hilfe sein. Hierzu müsste dann neben einem leistungsstarken Grossrechner auch eine möglichst grosse Datenbasis von früheren Ereignissen zur Verfügung stehen. Mit einem Verfahren wie «Deep-Learning» kann dann die KI die vorhandene Wissensbasis zu den aktuellen Wetterdaten in Beziehung setzen und eine Prognose erstellen. Dieses vereinfacht dargestellte Verfahren ist an sich ein hochkomplexer Rechenvorgang, der nur mit extremer Rechenleistung, möglichst konkreten Daten und sogenannten «Algorithmen» (kleinen Computerprogramme) zu einem brauchbaren Ergebnis führt.

Klima KI

Lokal oder Global? Das ist hier die Frage

Nachdem wir nun festgestellt haben, dass möglichst präzise Wetterinformationen die KI-Systeme optimal unterstützen, stellt sich sofort auch eine weitere Frage: Benötigt das System denn «nur» lokale oder maximal noch landesweite Wetterdaten? Oder müssten wir in diese Berechnung auch globale Wetter- und Klimadaten mit einbeziehen? Beides ist unabdingbar, zumindest, wenn man präzise Vorhersagen berechnen möchte. Denn wie eingangs bereits erwähnt, ist es nicht unbedingt der Flügelschlag eines Schmetterlings, der die Wettersymptome global steuert. Aber es sind globale Ereignisse – zum Beispiel Temperatur- oder Wetterereignisse –, die weltumspannend Auswirkungen auf die Klimaentwicklung an jedem beliebigen Ort auf unserem Planeten haben.

Die Rolle des Jet-Stream in der Klimaforschung

Ein solcher Zusammenhang ist auch der Jet-Stream. Hierunter versteht man das Windband, welches südlich und nördlich des Äquators in grosser Höhe verläuft. Durch die Erddrehung wird das Windband in Bewegung gehalten und taumelt wie eine «Welle» zwischen dem Äquator und den beiden Polen hin und her. Bislang war der Jet-Stream immer relativ kalkulierbar in seiner Bewegung. Die Bewegung zwischen Äquator und Pol entstand durch «relativ» grosse Temperaturunterschiede. Da sich die Kontinente aber immer stärker erwärmen, lässt diese Bewegung zunehmend nach. Das Ergebnis hieraus ist die Tatsache, dass ein Wetterereignis bei uns in Europa immer öfter regelrecht auf einem Fleck «stehenbleibt».

Ein gut trainiertes KI-System kann diese veränderten Prozesse nun dahingehend in die Wetterberechnung mit einbeziehen. Optimiert man diese Wetterberichte dann auch noch durch möglichst aktuelle Vor-Ort-Ereignismeldungen, so kann die KI die nächste Wetterprognose nochmals feiner errechnen. Im Ergebnis entstehen immer bessere Vorhersagen, die nicht nur lokale Ereignisse abbilden können. Wenn man landesweite Messstationen nun auch noch mit dem KI-System direkt verknüpft, wird eine nochmals genauere Auswertung möglich werden.

Digitale Wetterberichte

Diese zuvor beschriebenen globalen und komplexen Wetterereignisse werden einen «normalen» Wetterbericht in seiner Form nicht mehr möglich machen. Vorhersagen über mehrere Tage werden sicherlich ähnlich bescheidene Trefferquoten wie ein Glücksspiel erzielen. Wenn Ihnen diese Aussagen nun zu «düster» erscheinen, achten Sie in den nächsten Wochen doch selbst auf Wettervorhersagen und konkret eingetretenes Tageswetter. Klar, es wird immer schwieriger, eine zuverlässige Prognose zu erstellen. Aber nicht nur wir als Bevölkerung interessieren uns für einen möglichst genauen Wetterbericht. Auch die Landwirtschaft ist im hohen Masse an einer genauen Prognose interessiert, um frühzeitig auf Ereignisse wie Dürren oder starke Unwetter reagieren zu können.

Der «digitale» Wetterbericht ist die logische Konsequenz hieraus. Immer schnellere Berechnungen und in immer kürzeren Intervallen veröff entlichte Wetterberichte könnten angemessene Reaktionen der Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft ermöglichen. Und einen weiteren – nicht ganz unwichtigen – Beteiligten haben wir ja noch gar nicht erwähnt: Die Versicherungen. Sie sind es, die mit Unsummen an Zahlungen die entstandenen Schäden begleichen müssen. Diese Klientel hat natürlich ein ebenso grosses Interesse an möglichst genauen Wetterberichten.

Gletsche Wallis

Schlüsseltechnologie KI in der Klimaforschung

Als Fazit bleibt uns nur noch festzustellen, dass die herkömmlichen Methoden zur Wettervorhersage so nicht mehr ausreichend sein werden. Zu viele menschgemachte Veränderungen und planetare Gesetzmässigkeiten werden neue Vorgehensweisen und Technologien zur Erfassung von Wetterdaten nötig machen. Präzise lokale Beobachtungen sind dabei genauso wichtig wie hochkomplexe KI-Algorithmen und massenweise Datenmodelle. Nur mit Deep-Learning und hochaktuellen Daten werden wir die dynamischen Wetterprozesse auf unserem Planeten erfassen und prognostizieren können.

Stark verbesserte Klimamodelle können nur über die Kombination von naturwissenschaftlichen Grundlagen, geologischen Messungen und Künstlicher Intelligenz erzeugt werden. Unsere Ozeane und den dort wichtigen Humboldtstrom haben wir bei all diesen Ausführungen noch gar nicht mit einbezogen, was aber zwingend erforderlich wäre. Würden wir alle relevanten Ereignisse und globalen Systeme aufführen, würde das den Rahmen dieses Artikels bei Weitem sprengen. Letztendlich kann uns ein entsprechendes KI-System durchaus dabei helfen, die Klimaforschung schneller und effizienter zu gestalten.

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